Bestimmt denken Sie, dass es ganz lustig ist als Texter. Ein bisschen tippen, ein bisschen denken, viel reden und immer frischer Kaffee. Aber Pustekuchen – es ist ein ständiger Kampf. Ein Beispiel: Während ich diese Zeilen tippe, kratzt, hämmert und marodiert die Marketing-Tante vor meiner virtuellen Tür. Wo denn der verdammte Blog sei, brüllt sie mit ihrer tiefen und gutturalen Damönen-Stimme. Dazu Flüche auf Irisch, Latein und in einem seltenen, afrikanischen Klicklaut-Dialekt. Sie hat sich doch tatsächlich in den Kopf gesetzt, dass ich über unsere Glücklichmacher-Karte schreibe – eine Art necom-Bonussystem. Jetzt will sie Ergebnisse sehen, sonst gibt’s Saures. Klar, dass so ein zartes Wesen wie ich davon nicht unbeeindruckt ist. Das kann einen richtig fertig machen – auch, wenn man als Texter einiges gewohnt ist. Ehrlich gesagt, ist heute sogar einer der guten Tage. Man ist ja mit wenig zufrieden.
Genau dieser Gleichmut geht hingegen brutalen Despoten wie dieser Marketinglady total ab. Im Gegenteil – wenn Sie richtig wütend wird, kann es wirklich ungemütlich werden. Ich habe mal mit ansehen müssen, wie sie einen Text-Praktikanten in der der Luft in zwei Teile zerrissen hat, um ihn dann mit Haut und Haaren zu verschlingen. Und keiner hat was gesagt. Dabei hatte der Praktikant nur ein Komma vergessen und eine etwas bildungsferne Frisur. Gerne hätte ich ihm beigestanden – aber ich hatte an anderer Front zu kämpfen. Ich glaube mit Fritzi (Name von der Redaktion geändert), die zu ähnlich subtiler Gewalt neigt. Unter dem Strich ist übrigens nur Tom die eine oder andere menschliche Reaktion zuzutrauen. An guten Tagen.
Ist natürlich alles Quatsch.
Ich schinde nur Zeit.
Die marodierende Dame ist nämlich so ziemlich die netteste Kollegin, die man haben kann. Und eigentlich fragt sie auch nur höflichst nach. Aber meine Wahrnehmung hat im Allgemeinen relativ wenig mit den realen Begebenheiten am Hut. Das ist so eine Art Berufsrisiko und hilft gleichzeitig enorm bei dessen Ausübung. Deshalb bin ich auch Texter und kein Statiker oder gar Gehirnchirurg, wo ein fehlender Realitätsbezug ein echter Game-Changer sein kann. Da hilft dann auch keine Berufsgenossenschaft.
Ich muss jetzt einfach nur damit umgehen, dass ich über dieses Gücklichding schreiben soll. Und das ist eigentlich eine ziemlich tolle Angelegenheit. Es begann damit, dass unser Chef Daniel das Glücklichmacher-Portal in der Agentur einführte. Hier hat jeder Mitarbeiter die Möglichkeit, seine Kollegen für bestimmte Aktionen zu loben. Hierfür stehen Attribute von gut, spitze bis heldenhaft zur Verfügung. Vom grandiosen Pitch bis zum perfekten Küchendienst ist alles möglich. Das Beste daran ist, dass beide Beteiligten Punkte gutgeschrieben bekommen – also der Lobende und der Gelobte. Demzufolge herrscht eine lebendige Lobkultur innerhalb unserer werblichen Produktionsgemeinschaft. Es wird gelobt, als gäbe es kein Morgen. Und das ist gut so – denn alle fühlen sich gut. Übrigens wird auch der Mitarbeiter des Monats anhand dieses Systems ermittelt. So weit alles klar?
Die Entlohnung für die gesammelten Heldentaten war lange Zeit ein Problem – bis Daniel auch hier auf eine Spitzenidee kam: Eine Prepaid MasterCard mit der man bis zu 44 € monatlich als sogenannte steuerfreie Zuwendung erhält. Also eine hundertprozentige Lohnerhöhung und mithin hundertprozentige Freude. Hier komme ich ins Spiel. Denn das perfide in diesem Fall ist, dass die Infos aus der Kollegenschar über die damit getätigten Käufe so spannend sind wie die Lottozahlen vom Mittwoch. Alleine vier Kollegen belieben das Geld zu sparen. Logo – warum auch zwölf mal kleine Freude, wenn auch einmal Riesenfreude geht.
Aber kann man sich da nicht was ausdenken? Mache ich doch auch ständig. Man könnte beispielsweise behaupten, dass man einen Bungee-Sprung mit der Bonus-Knete gemacht hätte. Oder, dass man ein Messerset zum Messerwerfen erstanden hätte und jetzt fleißig mit der Oma übe. Aber nein, die Kollegen sind fleißige und sparsame Schwaben. Und alle so ehrlich. Rein lügentechnisch ist diese Agentur eine einzige Kompetenzmangelzone.
Schauen wir mal in die Liste: Da wäre Daniel, der in seinem USA Urlaub mit Freunden essen war. Darüber kann ich unmöglich schreiben, weil die Kombination von Essen und Urlaub bei mir zu nichts Gutem führt. Kommunistisches Softeis. Eifrige Leser wissen, was ich meine.
Dann Tom, der seinen Bonus in der Sauna abfeiert. Wäre eine Geschichte wert, kann aber nur auf Glatteis führen. Nicht ohne Grund sind 4 der 5 schlimmsten Witze, die ich kenne, von Tom. Und manchmal weine ich nach einen Telefonat mit ihm.
Georg könnte jetzt auf der Torlinie retten, berichtet aber von „Schrauben aus dem Bauhaus und Socken von C&A“. Ich bin mir ziemlich sicher, dass dies ein Code ist. Ich weiß nur nicht wofür.
Auch der Umstand, dass „Bling Bling“ Alexandra ihren Bonus in Schmuck umsetzt, haut niemanden vom Hocker, ist aber eine Erwähnung wert – immerhin hält sie den Geldkreislauf in Gang. Das muss gelobt werden. Das nächste Mal wäre es allerdings hilfreich, wenn sie vom Bonus eine Waffe kauft und den Schmuck dann raubt. Das wäre mir auch einen ganzen Blog wert.
Seit heute gibt es übrigens eine neue Projektleiterin. Sie heißt Iris und ich hoffe, sie ist nicht so brutal. Iris klingt ja irgendwie friedlich. Aber man weiß ja nie.
Apropos. Vor der Tür ist es mittlerweile so laut, dass ich mein eigenes getipptes Wort nicht mehr verstehe. Also werde ich mir jetzt den Knoblauch umhängen und raus gehen. So geht das nicht, werde ich sagen. Ich kann so nicht arbeiten. Nicht mit dieser Liste. Und falls wir uns danach nicht mehr wieder lesen, dann wissen Sie, dass ich ein Opfer wurde. Ein Opfer der alltäglichen Bürogewalt gegen harmlose, ehrliche Schreiberlinge. Aber weinen Sie nicht um mich. Denn das alles ist so nie passiert.
Glauben Sie mir.
Ich bin Arzt.